Ein Text von Lilly Barthel:
Vermutlich geht es anderen Menschen ähnlich wie mir, ein gern genutztes Elektrogerät, verwehrt seine Dienste.
In meinem Fall handelt es sich um zwei ältere, jedoch wunderbare, Nähmaschinen, die ich für meinen Näh-Treff hier im Neuen Volkshaus Cotta nutzen möchte. Die eine Maschine, eine handliche Veritas (Modell 2032) aus DDR-Zeiten, habe ich für einen moderaten Preis bei ebay Kleinanzeigen erstanden. Beim intensiveren Probenähen zu Hause entwickelte das Pedal nach etwa 30 Minuten ein Eigenleben – die Nähmaschine nähte von ganz alleine weiter. Dazu ein Klicken im Pedal, ein leicht seltsamer Geruch – somit unterbrach ich lieber die Näharbeit und ich entschied mich, mich beim Repaircafé für einen Donnerstagabend anzumelden. Diese Terminierung ist v.a. sinnvoll, um Wartezeiten für die Besucher zu verkürzen.
Schon in den ersten Minuten bin ich positiv überrascht: ich werde von der Ehrenamtlichen Marion gebeten, ein Formular auszufüllen, in welchem ich unterschreibe, dass das Repaircafé keine Haftung für die weitere Funktionstüchtigkeit des Gerätes übernimmt. Ich habe außerdem die Wahl, ob ich einer Fotoerlaubnis einwilligen möchte. In einer oberen Ecke des Formulars wird mein Reparatur-Fall mit einer Fallnummer registriert. Digital am Laptop und in Ordnern analog behalten die Ehrenamtlichen jede durchgeführte Reparatur im Überblick.
Nun geht es zur Sache: Mit ebenso viel Freundlichkeit, Entspanntheit und auf Augenhöhe widmet sich Rainer der Veritas und mir. Unter seiner Anleitung entferne ich selbst die Scharnierstifte des Nähmaschinen-Pedals. Bedächtig öffnen wir, damit keine der Metallfedern davon springt. Alle Bauteile, die wir nach und nach entnehmen, legen wir in eine magnetische Metallschale. Jetzt können wir auf den elektrischen Mechanismus im Pedal-Inneren blicken. Rainer erklärt mir, wie diese Bauteile miteinander funktionieren. Auf meine Nachfrage und Neugierde erfahre ich mehr über Rainers berufliches Fachwissen, welches er sich während seiner Berufslaufbahn erworben hat und heute als Rentner immer noch mit Begeisterung Dinge repariert. Und dabei unterstützt er Menschen aus der Nachbarschaft.
Nach wenigen Minuten ist das Übel gefunden. Ein kleiner Kondensator wölbt sich nach außen; dieser ist innerlich ausgelaufen. Er bewirkte die Fehlfunktion.
Erst kürzlich haben die Freunde vom Repaircafé elektrische Bauteile von der Werkstatt der Lebenshilfe erstanden. Mit einem Griff in eine kleine Plastiktüte zaubert der Fachmann einen gebrauchten, jedoch sehr gut erhaltenen Kondensator mit gleichen elektrischen Voraussetzungen hervor. Als nächstes wird gelötet. Die weiteren Komponenten erachtet Rainer als funktionstüchtig.
Mehrmals denke ich zwischendurch: „Zum Glück denken heutzutage wieder mehr Menschen daran, gut erhaltene Dinge umzunutzen.“
Nachdem wir das Pedal wieder geschlossen haben, bin ich an der Reihe, noch vor Ort die „Fahrtauglichkeit“ der Nähmaschine zu prüfen. In Ruhe, an einem anderen Tisch nehme ich mir eine weitere halbe Stunde Zeit und erfreue ich mich, wie langsam sich die Maschine von mir steuern lässt. Ein ausdauerndes, gleichmäßiges „Schnurren“ ertönt aus der Veritas. Ein Erfolg!
Zum Abschluss bittet mich Rainer einen anonymen Feedbackbogen auszufüllen. Auf dem Tisch steht die Spenden-Box des Repaircafés. „Gib‘ so viel, wie es Dir wert ist“, sagt mir Rainer. Da auch ich hier im Neuen Volkshaus Cotta ehrenamtlich meinen Näh-Treff leite, weiß ich, dass zumindest die Miete „erwirtschaftet“ werden muss.
Nur eine Woche später nehme ich nochmals die fachkundigen Dienste meiner Kollegen in Anspruch. Auch eine zweite ältere Nähmaschine kann mit Erfolg repariert werden. Dieses Mal unterstützten mich Rainer und Rüdiger im Zweier-Team. Fachwissen für Elektrik und Mechanik treffen hier aufeinander; gleichzeitig zwei Menschen, die freundschaftlich Hand in Hand arbeiten.
Noch ein anderer Service kommt mir zu Gute: Ines kocht Kaffee und spendiert Kakao-Kekse.
Während der Reparaturarbeiten habe ich immer wieder freie Zeit, um neugierig an die anderen Repair-Tische zu blicken. Dort nimmt Falk mit einem Vater und seinem 3-jährigen Sohn einen Milchaufschäumer unter die Lupe. In einer Ecke am Fenster sitzt wieder Daniel am 3-D-Drucker. Dienstags ab 17:15 Uhr gibt er hier im Haus seinen eigenen Kurs. Donnerstags unterstützt er das Reparatur-Team, indem er Ersatzteile für defekte Maschinen druckt. So konnten u.a. schon Toaster-Hebel oder Endkappen für Tisch- und Stuhlbeine neu konstruiert und gedruckt werden.
Ich sage vielmals DANKE für Eure Hilfe und zwei überaus spannende Abende!